Chancen aus neuer Bedarfsplanung

Zwangsumzüge, Zweigpraxen, „freie“ Zulassungen – die Neu-Aufstellung der Berliner Bedarfsplanung eröffnet auch neue Chancen.

Immer wenn die entsprechenden Gremien an der Bedarfsplanung drehen, befürchten Berliner Ärzten/innen schlimmes. Doch wie immer hat die Medaille zwei Seiten und es gibt auch Chancen.

Im Bereich der Hausärzte geht die Berliner KV einen komplett neuen Weg (wir berichteten). Ansonsten bleibt der im Jahr 2013 vereinbarte und im Jahr 2018 fortgeschriebene so genannte „Letter of Intent“ (LOI) als ergänzendes Steuerungsinstrument gegen die Ungleichverteilung erhalten.

Mehr „Zwangsumzüge“ auch bei Ärzten?
Bei den Psychotherapeuten/innen sind „Zwangsumzüge“ ja schon länger gang und gäbe. Sprich bei Sitzausschreibungen aus Bezirken mit einem Versorgungsgrad über 140 Prozent wird seitens der KV die Fortführung der Praxis in den drei am schlechtesten Bezirke vorgeschrieben. So konnte die KV beispielsweise den Versorgungsgrad in Charlottenburg-Wilmersdorf von 558,3 Prozent (Stand: 01.07.2013) auf 362,2 Prozent (Stand: 01.07.2020) senken. Und den Versorgungsgrad in Marzahn-Hellersdorf von 45,1 Prozent (Stand: 01.07.2013) auf 83,4 Prozent (Stand: 01.07.2020).

Bei den Ärzten/innen waren solche „Zwangsumzüge“ – zumindest aus unserer Sicht – bis dato eher die Ausnahme. Im aktuellen KV-Blatt wird beruhigt: „Bereits bestehende Praxen sind jedoch geschützt und bleiben von der neuen Klausel im novellierten Bedarfsplan unberührt – es finden also keine ‚Zwangsverlagerungen‘ in geringer versorgte Bezirke statt.“ Praxisübernahmen am Standort sind weiterhin möglich.

Mehr Zweigpraxen
Die Genehmigung von Zweigpraxen in Berlin fristete bis 2017 ein Nischendasein. Nunmehr wird seitens der KV der Betrieb einer Zweigpraxis in geringer versorgten Bezirken genehmigt. Auch dadurch verspricht sich die KV eine Steuerungsregelung und einen Abbau der Ungleichverteilung.

Wieder KV-Sitze für verschiedene Fachrichtungen?
„Neu zu vergebende Sitze sollen vom Zulassungsausschuss grundsätzlich nur noch in Bezirke vergeben werden, die einen fachärztlichen Versorgungsgrad von unter 90 Prozent aufweisen“, heißt in der aktuellen KV-Blatt Ausgabe. Es handelt sich dabei um eine Soll-Bestimmung, wenngleich aber auch die Möglichkeit der Ausnahme besteht. „Spannend ist dabei immer folgender Fall: Der Zulassungsausschuss schreibt beispielsweise einen freien HNO-Sitz für Lichtenberg aus, aber es gibt keine/n einzigen Bewerber/in für Lichtenberg, sondern nur aus anderen Bezirken“, sagt Robert Krüger Kassissa von Beratung für Mediziner. „Erfahrungsgemäß wurden die Sitze in der Vergangenheit dann auch in andere Bezirke vergeben, wenn auch zähneknirschend.“

Der Anwendungsbereich der neuen Klausel betrifft alle Arztgruppen, also auch Chirurgen, Orthopäden, Urologen, Nervenärzte und Psychotherapeuten. Aber: „Faktisch betrifft die Klausel wegen der Nähe der Sperrgrenze bislang nur Frauen-, Augen-, Kinder- und Jugend-, HNO- und Hautärzte“, so die KV.

Unter 90 Prozent liegen beispielsweise die Augenärzte in Spandau, Treptow-Köpenick und Lichtenberg. Deutlich unter 90 Prozent liegen auch die Frauenärzte und Hautärzte in Neukölln. Bei Hautärzten ist der Mangel zudem in Friedrichshain-Kreuzberg, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Reinickendorf. Bei den HNO-Ärzten gibt es in Lichtenberg Chancen auf zumindest einen Sitz. Bei Kinderärzten ebenfalls in Lichtenberg und zudem in Treptow-Köpenick.

Viele weitere Daten unter anderem zum Morbitätsfaktor, zur Bevölkerungsentwicklung und Altersstruktur in den Bezirken finden sich hier.