Wahlkampfthema Praxisumzüge

Im September finden in Berlin die Wahlen zum Abgeordnetenhaus statt. Vertreter der Ärzteschaft werfen der Politik vor, die Restriktionen der Praxisverlegungen als Wahlkampfthema zu benutzen. Auch die KV Berlin erntet Kritik.

Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KV Berlin) hat zusammen mit den Krankenkassen und der Senatsgesundheitsverwaltung im Jahre 2013 den „Letter of Intent“ (Absichtserklärung) ausgehandelt. Dieser sorgt seitdem innerhalb der Ärzteschaft für Aufruhr und sieht vor, dass Vertragsarztsitze nur in schlechter versorgte Verwaltungsbezirke verlegt werden können. Auch ein aktuelles Urteil des Bundessozialgerichts hat dieses Vorgehen bestätigt.

Erst kürzlich hat der Berliner Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) eine positive Bilanz des Letter of Intent gezogen und herausgestellt, dass dadurch seit 2013 insgesamt 158 Arztpraxen von gut in schlechter versorgte Bezirke umgezogen sind. Ganz anders sieht das Zwischenresümee vom Vorsitzenden der Landesgruppe Berlin/Brandenburg innerhalb des Verbandes der niedergelassenen Ärzte Deutschlands (NAV-Virchowbund) aus. Dipl-Med. Mathias Coordt kritisiert in der Ärzte-Zeitung, dass die von der Politik gewünschte Neuverteilung der Arztsitze nichts gebracht habe und auch künftig nicht funktionieren werde. Senator Czaja verwende dieses Thema einzig in Hinblick auf die bevorstehenden Landtagswahlen.

Ärzteschaft gegen Gesundheitssenator Czaja

Auch der Ehrenvorsitzende der Landesgruppe Berlin/Brandenburg des NAV-Virchow-Bundes und ehemalige Dekan der Charité Prof. Dr. Harald Mau schaltet sich in die Diskussion um die Niederlassungsfreiheit in der Hauptstadt ein. „Der Berliner Gesundheitssenator Mario Czaja ist erstaunt darüber, dass seine Planspielchen mit den Arztsitzen nicht den Beifall der Vertragsärzte finden.“ Prof. Mau teilt das Ziel des Senators, dass nämlich Ärzte dort sein sollten, wo sie gebraucht werden. „Nur die Art und Weise, wie dieses Ziel erreicht werden soll, macht schon nachdenklich und ist denen, die unter Virchows Namen angetreten sind, ziemlich zuwider“, so der Ehrenvorsitzende weiter. Gesundheitssenator Czaja hatte zuvor kritisiert, dass „einige Ärztevertreter rückwärtsgewandt versuchen, ihre Besitzstände zu verteidigen.“

Doch nicht nur gegen den Gesundheitssenator teilt der NAV-Virchowbund aus, auch die KV Berlin wird kritisiert. Diese vertrete nämlich nicht die Interessen der Ärzte, sondern unterstützt einen „angeschlagenen Gesundheitssenator“. „Die KV-Spitze unterstützt einen fragwürdigen Kurs und nimmt dabei in Kauf, dass die Berufsfreiheit der niedergelassenen Ärzte eingeschränkt wird“, sagt Mathias Coordt in der Ärzte-Zeitung. Die Grenzen der Berliner Verwaltungsbezirke seien keine geeignete Abgrenzung für die Beurteilung der Versorgungslage.

Der Verband fordert von der KV eine Bedarfsplanung, in der eine tatsächliche Inanspruchnahme der Ärzte und die soziodemografische Entwicklung Berücksichtigung finden.