Betrug bei der Kodierung? Mediziner verbitten sich Bezichtigungen

Um mehr Mittel aus dem Morbi-RSA zu erhalten, haben Krankenkassen Ärzte bei ihren Diagnosen beeinflusst. Medizinerverbände wehren sich nun gegen Betrugsvorwürfe.

Seit Jahren schwelt der Konflikt um den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA), der Krankenkassen mit besonders vielen schwerkranken Versicherten entlasten soll. Das Bundesversicherungsamt machte 2018 gegen 55 „Betreuungsstrukturverträge“, gegen die Teilnahme von 26 Kassen am „Arzt-Partner-Service“ und gegen diagnoseoptimierende Softwares mobil. Denn sie alle dienten einem Ziel: Die Patienten auf dem Papier kränker zu machen, als sie tatsächlich waren, um mehr Mittel aus dem Morbi-RSA abzugreifen.

Gegen Vorwürfe „einzelner Kassenvertreter“, die Mediziner würden sich bei der Kodierung der diagnostizierten Erkrankungen der Manipulation schuldig machen, verwehren sich nun unisono die großen Ärzteverbände. „Ein sofortiges Ende der Betrugsvorwürfe“ fordern die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), der Deutsche Hausärzteverband, der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands, der Hartmannbund, MEDI GENO Deutschland und der NAV-Virchow-Bund in einer gemeinsamen Erklärung. Darin wird klargestellt: „Die Krankenkassen haben ein Interesse an den Zuweisungen aus dem Morbi-RSA und nicht die Ärzte.“

Der Bundesvorsitzende des Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, räumt zwar Beeinflussungsversuche der Kassen auf die Kodierungspraxis ein, hält es aber für „ungeheuerlich“, dass die Medizinerschaft für das „betrügerische Vorgehen beschuldigt wird“.