Praxisschließungen wegen Corona-Pandemie

Die Anfragen zum Thema Corona-Pandemie häufen sich. Leider sind hier Informationen der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung sehr dürftig. Praktisch stündlich stellt sich heute die Frage, wann eine Arztpraxis schließen darf oder schließen muss. Rechtlich geht es dabei um des Berufsrechts, Vertragsarzt- und Arbeitsrechts.

Besonders knifflig ist diese Frage für Vertragsärzte. Grundsätzlich gilt, wenn Patienten oder Mitarbeiter nicht mehr ausreichend geschützt sind, muss über eine sofortige Praxisschließung nachgedacht werden.

Nach den Hygienevorschriften muss der Arzt dafür sorgen, dass die gesamte Praxis immer in einem hygienisch einwandfreien Zustand ist. Dazu gehört die Desinfektion der Oberflächen, Behandlungsräume und auch die Händedesinfektion des Personals. Infiziert sich ein Patient durch unzureichende Hygiene in der Praxis haftet der Arzt.

Ausreichende Händedesinfektion für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fordert der Arbeitsschutz. Kommt es zu einer Infektion eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin durch unzureichende Händedesinfektion trägt die Berufsgenossenschaft erst einmal die Behandlungskosten und den Verdienstausfall, hat sich der Arzt dabei aber grob fahrlässig verhalten kann die Berufsgenossenschaft die von ihr übernommenen Kosten vom Arzt zurückverlangen.

Eine unzureichende Hygiene in der Praxis ist auch ein Verstoß gegen berufsrechtliche Pflichten und kann sogar von der Kassenärztlichen Vereinigung zum Gegenstand eines Disziplinarverfahren gemacht werden, wenn der Arzt hierdurch gegen vertragsärztliche Pflichten verstößt, was insbesondere bei bestimmten Eingriffen der Fall ist.

Steht also keine ausreichende Desinfektion mehr zur Verfügung und kann deswegen die Praxis oder können sich die Mitarbeiter nicht mehr richtig desinfizieren darf die Praxis nicht mehr weiter arbeiten. Vertragsärzte dürfen ihre Praxis aber nur wegen Urlaub, Krankheit, Weiterbildung oder der Betreuung naher Angehöriger zeitweise schließen, dann muss aber eine Vertretung sichergestellt sein. Der Gesetzgeber sieht den Fall der Praxisschließung wegen unzureichender Hygiene gar nicht vor. Ich halte es aber für ausgeschlossen, dass die Kassenärztliche Vereinigung gegen einen Arzt vorgeht, der vorsorglich wegen nicht mehr vorhandener Desinfektionsmittel seine Praxis schließt. Wichtig ist, dass die Patienten auch dann ausreichend informiert werden.

Im Moment gebe ich immer folgende Ratschläge:

1) Desinfektionsmittel sollten so sparsam wie möglich eingesetzt werden, damit die Praxis möglichst lange geöffnet bleiben kann.

2) Können bestimmte Funktionsbereiche nicht mehr desinfiziert werden (zum Beispiel OP oder Eingriffsraum) > Bereiche sperren (keine OP oder Diagnostik mehr). Das stellt auch keinen Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten dar.

3) Stehen keine Desinfektionsmittel für die Mitarbeiter mehr zur Verfügung kann man von diesen keine Arbeit am Patienten mehr verlangen > nur noch der Empfang besetzen.

4) Gehen Desinfektionsmittel so zur Neige, dass die Praxis gar nicht mehr desinfiziert werden kann > Notbestand zurückhalten, um Notfallpatienten, die plötzlich vor der Tür stehen noch irgendwie behandeln zu können.

5) Ist gar keine Desinfektion mehr möglich > Praxisschließung sofort der Kassenärztlichen Vereinigung anzeigen mit dem Verweis auf fehlende Desinfektionsmittel. Ab dann sollte die Information der Patienten auf allen möglichen Wegen erfolgen, die Erreichbarkeit der Praxis muss auch dann noch gegeben sein.

6) Wird die Praxis geschlossen oder steht die Schließung unmittelbar bevor, kann auch der Amtsarzt darüber informiert werden, der Amtsarzt ist in diesem Falle sogar berechtigt die Praxis zu schließen.

Viele Praxen fahren ohnehin aus Gründen des Infektionsschutzes den Betrieb zurück, nicht unbedingt notwendige Patientenkontakte werden verschoben und nur noch dringende Fälle behandelt. Auch dadurch können Desinfektionsmittel eingespart werden. Auf jeden Fall gilt, bei Risiken für Mitarbeiter oder Patienten durch fehlende Desinfektion muss der Praxisbetrieb eingeschränkt oder beendet werden.

Dieser Text ist ein Gastbeitrag unseres Kooperationspartners Rechtsanwalt Wolfgang E. Pütz.