Seit 1. September gelten für Ärzte neue „Spielregeln“ - Berufsverbände warnen

Einige Bestandteile des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) sind zum 1. September in Kraft getreten. Eine Übersicht. Warum Berufsverbände vor der Umsetzung warnen.

Das „Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung“, weithin bekannt unter dem Kürzel TSVG, traf auf teilweise heftige Kritik seitens der Ärzteschaft. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn drückte es dennoch durch, die ersten Regelungen gelten seit dem 11. Mai. Dazu gehören die Anhebung der wöchentlichen Mindestsprechstundenzahl von 20 auf 25, die Vermittlung dringender Facharzttermine durch Hausärzte und die extrabudgetäre Vergütung für von der Terminservicestelle (TSS) überwiesene Patienten.

Andere Komponenten des TSVG haben erst zum 1. September Gesetzeskraft erlangt. Die drei wichtigsten stellen wir Ihnen im Folgenden kurz vor:

  • Erstkontakt mit neuen Patienten
    In bestimmten Facharztgruppen werden Leistungen für neue (oder seit mindestens zwei Jahren nicht mehr vorstellig gewordene) Patienten im Behandlungsfall für ein Quartal extrabudgetär voll vergütet. Die Regelung gilt nicht für neu gegründete und übernommene Praxen, zudem sind Pathologen, Radiologen, Labormediziner, Anästhesisten, MKG-Chirurgen, Nuklearmediziner und Humangenetiker ausgenommen.

  • Offene Facharzt-Sprechstunden
    Extrabudgetär vergütet werden auch die Leistungen im Behandlungsfall, die im Rahmen der nun vorgeschriebenen fünf offenen Sprechstunden pro Kalenderwoche erbracht werden. Diese müssen von allen Fachärzten angeboten werden, denen eine wohnortnahe Grundversorgung obliegt. Im Einzelnen: Orthopäden, Chirurgen, Hautärzte, Augenärzte, Urologen, HNO-Ärzte, Nervenärzte, Psychiater, Neurologen, Gynäkologen sowie Kinder- und Jugendpsychiater. Wie die fünf Stunden auf die Wochentage verteilt werden, ist freigestellt. Sowohl die Patienten als auch die zuständige KV müssen jedoch über das Angebot informiert werden. 

  • Zuschläge für TSS-Patienten
    Werden bei Patienten, die von der TSS überwiesen wurden, bestimmte Wartezeiten eingehalten, können die behandelnden Fachärzte auf die Versichertenpauschale eine Zuschlag erheben. Dessen Höhe ist gestaffelt: 50 Prozent gibt es, wenn der Termin innerhalb von acht Tagen oder in Akutfällen innerhalb von 24 Stunden nach Ersteinschätzungsverfahren stattfindet; 30 Prozent bei einer Wartezeit von 9 bis 14 Tagen; 20 Prozent bei 15 bis 35 Tagen.

Weitere in der Umsetzung befindliche Änderungen betreffen die bundeseinheitliche Rufnummer 116117 für TSS und Ärztlichen Bereitschaftsdienst, die Bedarfsplanung, die Umstellungen von Zufälligkeitsprüfungen auf solche „auf Antrag“, die Verdopplung der geförderten Weiterbildungsstellen für grundversorgende Fachärzte sowie flexibilisierte Zulassungsregeln. Den vollständigen Gesetzestext können Sie hier einsehen.

Aber Berufsverbände warnen vor der Umsetzung

Der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU) aber auch andere Berufsverbände warnen jedoch vor der Umsetzung. Für die einzelne Praxis und die gesamte Fachgruppe sei es nicht sinnvol, vor dem 3. Quartal 2020 auf die Honoraranreize einzugehen, schreibt beispielsweise der BVOU.

Das TSVG eröffnet grundsätzlich vier Fallkonstellationen mit möglichem Honorarplus. Ein echtes Honorarplus mit entsprechender Mehrver­gütung durch die Krankenkasse wird durch die möglichen Fälle allerdings erst im zweiten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes generiert, so der Berufsverband.

Wörtlich heißt es im BVOU Infobrief Ausgabe 2/2019:

„Denn für die ersten vier Quartale muss laut TSVG einmalig eine Bereinigung zu Lasten der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (MGV) mit den arztgruppenspezifischen Auszahlungsquoten des jeweiligen Vorjahresquartals erfolgen (§ 87a Abs. 3 SGB V). In diesem Bereinigungs­zeitraum bezahlen die Krankenkassen nur die Preis­differenz zur Ausbudgetierung (Quote), jedoch nicht die Mengenentwicklung (Fälle und Leistungen).

Ein Mehr an Fällen und Leistungen gehen im ersten Jahr zu Lasten der Preise für die übrigen Leistungen und werden für die Folge basiswirksam. Somit wird jede Praxis dies ab dem zweiten Jahr dauerhaft negativ spüren, wenn eine Praxis innerhalb des ersten Jahres sehr viele Mehrfälle im Rahmen der neuen ausbudge­tierten Möglichkeiten abrechnet!

Erst ab dem zweiten Jahr sind die zuvor ausge­führten Fallkonstellationen tatsächlich Einzelleistungen und werden mit dem tatsächlichen Preis und Menge auch vergütet.“